E-Mail ist neben dem World Wide Web die wohl bekannteste Anwendung des Internets und basiert auf einem offenen Standard. Auf der technischen Ebene wird dieser durch das Simple Mail Transfer Protocol SMTP definiert.
Zum E-Mailen benötigt man zwei Dinge: Eine E-Mail-Adresse und eine Software, mit der man E-Mails empfangen und versenden kann. Ein toller Aspekt von E-Mail ist nun, dass man beides im Prinzip selbst frei wählen kann. Ich kann mir eine E-Mail-Adresse beim Provider meines Vertrauens besorgen und dann eine Software nutzen, die mir in Sachen Funktionsumfang und Vertrauenswürdigkeit ebenfalls zusagt.
Der dezentrale Aufbau von E-Mail mit seinen vielen Providern bietet überdies ein gewisses Mass an Datensicherheit (die Daten sind auf verschiedenste Anbieter verteilt) und eine gewisse Robustheit gegenüber Systemausfällen.
So weit, so gut – aber seit ein paar Jahren kann man zwei grosse Tendenzen beobachten: eine Machtkonzentration und Überwachung.
Machtkonzentration
Bei den Anbietern von E-Mail-Diensten hat über die vergangenen Jahre eine starke Konzentration stattgefunden. Über 1,5 Milliarden(!) Menschen nutzen gemäss Wikipedia inzwischen Google Mail (Stand 2018). Hotmail resp. Outlook.com versammelt über 400 Millionen Nutzer:innen (Wikipedia, Stand 2013), Yahoo Mail ebenfalls mehrere hundert Millionen. Ein substanzieller Teil aller E-Mail-Nutzer:innen verteilt sich also auf nur wenige grosse Unternehmen. Damit erlangen diese Firmen eine grosse Macht, und das Prinzip der Dezentralität verkommt in dieser Hinsicht zu einem nur noch theoretischen Vorteil von E-Mail.
Überwachung
Die grossen E-Mail-Anbieter sind «kostenlos», d.h. Nutzer:innen bezahlen für den Dienst kein Geld. Solche Gratisangebote sind vordergründig natürlich attraktiv. Entwicklung und Unterhalt einer E-Mail-Infrastruktur kosten aber, und ein Unternehmen möchte seine Aufwände decken sowie Gewinn erzielen – im Falle vom Gratismail gelingt das durch Werbung. Und Werbung ist umso einträglicher, je genauer sie auf die potenziellen Käufer:innen eines Produktes zugeschnitten werden kann.
Alle Gratismail-Anbieter sind daher versucht, die E-Mails ihrer Nutzer:innen «mitzulesen», um deren Interessen und Vorlieben möglichst genau zu kennen. Und wenn aus diesen Informationen Profile erstellt werden, lässt sich sehr präzise und effizient Werbung schalten, was äusserst gewinnbringend ist. Alphabet/Google, der heute grösste Player bei E-Mail, scheint diese Praxis auf die Spitze getrieben zu haben (siehe ergänzende Artikel am Seitenende). Aber auch Outlook.com, Yahoo Mail und viele andere werden wohl über mächtige Analysewerkzeuge verfügen.
Was tun?
Wem Datenschutz und Privatsphäre einigermassen am Herzen liegen, die/der wird seine Korrespondenz kaum einem Gratismail-Giganten offen in die Hände legen wollen. Wer jetzt gleich denkt: «Mir doch egal, ich habe eh nix zu verbergen ...», der/dem möchte ich gerne den Film NOTHING TO HIDE empfehlen.
Was sind jetzt aber sinnvollere E-Mail-Dienste? Zum einen kann man bei einem Hosting-Anbieter eine eigene Domain registrieren und eine oder mehrere E-Mail-Adressen einrichten. Das braucht nur ein bisschen guten Willen und kostet ungefähr 150 Franken für Domain und Hosting im Jahr. Wem das zu aufwendig ist, die/der findet vielleicht an einem «Fix-Fertig-Anbieter» Gefallen, der Wert auf Datenschutz und die Respektierung unserer Privatsphäre legt. Zwei häufig genannte Anbieter hierfür sind mailbox.org und posteo.de, beide kosten in etwa 12 Euro/Franken aufs Jahr. «Aktivist:innen» könnten sich bei immerda.ch zuhause fühlen. Und wer aus Gründen gar nichts für eine E-Mail-Adresse bezahlen kann oder möchte, findet bei Proton Mail oder infomaniak vielleicht ein vertrauenswürdiges Angebot.
Was aber, wenn der Anbieter der Korrespondenz-Gegenseite trotzdem einfach mitliest? Schon länger stört mich die Vorstellung, dass Google mit allergrösster Wahrscheinlichkeit auch meinen Teil der Konversation scannt und auswertet, wenn ich mit Google-Mail-Nutzer:innen im Kontakt stehe. Klar, mein Kommunikationspartner hat Googles Geschäftsbedingungen zugestimmt, aber was ist mit meinem Einverständnis? Wenn ich mir zudem vor Augen führe, wie allumfassend Google im Internet wie auch in unserem physischen Leben heute «präsent» ist (Suchmaschine, E-Mail, Maps, Docs, Webbrowser, Laptops samt Betriebssystem, Smartphones samt Betriebssystem, Web Analytics, youtube, Fitbit etc.), bin ich nicht länger bereit, diese Geschäftspraktiken zu akzeptieren. Google ist mir schlicht zu übergriffig ... und soll daher wenn immer möglich draussen bleiben!
So behalte ich mir das Recht vor, den E-Mail-Verkehr mit gmail.com-Adressen ggf. zu blockieren. Und mit outlook.com/hotmail.com und yahoo.com verfahre ich genauso. Denn die Firmen hinter diesen beiden Diensten scheinen mir zwar nicht so mächtig und invasiv zu sein wie ihr grosser Bruder, aber auch sie stehen im Verdacht, den Inhalt der Korrespondenz ihrer «Kund:innen» mitzulesen und zu analysieren.
Für einmal nicht Klartext reden
Aber das ist noch nicht alles. Ohne spezielle Vorkehrungen erfolgt der Nachrichtenaustausch bei E-Mail im Klartext, d.h. alle jene Personen und Firmen, die entlang des Reiseweges einer E-Mail in Berührung damit kommen (wollen), können den Inhalt wie eine Ansichtskarte bei der Post mitlesen oder maschinell auswerten.
Mithilfe einer kleinen Zusatzsoftware und ein paar Einrichtungs-Klicks lassen sich E-Mails aber verschlüsseln. Auf der individuellen Ebene kann das die Privatsphäre schützen. Und gesamtgesellschaftlich betrachtet, kann es unsere Demokratien stärken, siehe hierzu den Artikel «How Much Surveillance Can Democracy Withstand?» unter freisatz.
Der verbreitetste Verschlüsselungsstandard ist OpenPGP (Pretty Good Privacy), und mit der freien Software-Umsetzung GPG (GNU Privacy Guard) kann man ihn auf Dateien aber auch auf E-Mails anwenden. Das freie E-Mail-Programm Thunderbird unterstützt die PGP-Verschlüsselung inzwischen nativ, d.h. ohne dass man sich erst noch ein zusätzliches Helferlein besorgen muss.
Ergänzende Artikel zu E-Mail
Zahlen, Daten und Fakten: Statistiken zu Google und Alphabet
https://intenseo.de/seo-blog/statistiken-google/ (Zugriff 2.5.2021)
The Psychological Dark Side of Gmail.
By Yasha Levine, PandoDaily and Alternet.org, 29 December 2013
https://www.alternet.org/2013/12/google-using-gmail-build-psychological-profiles-hundreds-millions-people/ (Zugriff 2.5.2021)
Google Has Most of My Email Because It Has All of Yours.
By Benjamin Mako Hill, 11 May 2014, republished by Slate
https://mako.cc/copyrighteous/google-has-most-of-my-email-because-it-has-all-of-yours (Zugriff 2.5.2021)
The Natural History of Gmail Data Mining. Gmail isn’t really about email — it’s a gigantic profiling machine.
By Jeff Gould, 24 June 2014
https://medium.com/@jeffgould/the-natural-history-of-gmail-data-mining-be115d196b10 (Zugriff 2.5.2021)
Email [eˈmaɪ̯], das;
Glasharter, gegen Korrosion und Temperaturschwankungen beständiger Schmelzüberzug, der als Schutz oder zur Verzierung auf metallische Oberflächen aufgetragen wird. (Duden)